Donnerstag, 5. März 2020

Sylter Schoki

Für alle Naschkatzen

… also auch für mich!

Immer von ich von Sylt komme, habe ich einen großen Vorrat Schokolade dabei.
Ich muss Freund versorgen und auch meine Mutter liebt das braune leckere "Zeugs" … Okay, manchmal ist auch weiß! :-)

Doch man kann mit der Schokolade sogar Spiele machen.
Wie das funktioniert?

Passt mal gut auf :-)


Ich musste aufstehen, um mein Mitbringsel aus der Hosentasche holen zu können. Gut versteckt in meiner Hand, schob ich es über die Tischplatte und stoppte erst vor den Händen meiner kleinen Tussi, die sie verschränkt vor sich liegen hatte. Ich öffnete meine Hand und legte das Mitbringsel auf den Tisch.

„Ich hab dir noch etwas mitgebracht.“ Meine Augen suchten den Blickkontakt. Nur kurz schaute Smilla auf den Tisch zwischen uns, dann strahlte sie mich an.

„Das ist aber süß von dir!“ Während ich sie nicht aus den Augen ließ, wanderte ihr Blick wieder zu dem Mitbringsel. Ich konnte genau beobachten, wie ihre Mundwinkel anfingen zu zucken, bis sie schließlich in schallendes Gelächter ausbrach.

Als die ersten Lachtränen aus ihren Augen liefen, senkte ich meinen Blick ebenfalls auf die Praline, die ich vorhin in der Schokoladenmanufaktur heimlich gekauft hatte. Eine Nougat-Praline war es, die neben den Worten Moin Moin auch mit einem kleinen Herz verziert gewesen war. Die Praline befand sich in einem durchsichtigen Tütchen, worüber ich mich im Nachhinein sehr freuen konnte. Dem schönen Wetter und meiner Sitzposition geschuldet, war von der kleinen Leckerei nicht mehr viel zu erkennen. Eigentlich nichts, außer der Tatsache, dass es sich um irgendetwas Schokoladenartiges handeln musste. Vor Smilla lag ein bräunlicher Klumpen, der von einem völlig zerknitterten und verklebten Plastiktütchen umgeben war. Dank des Tütchens war immerhin nicht meine Hose komplett von der Schokolade verschmiert. Während wir nun gemeinsam lachten, klärte ich Smilla darüber auf, wie dieser Klumpen ausgesehen hatte, bevor ich die Praline dusseligerweise in meiner Hosentasche platziert hatte.



Die Neugier und Nervosität meiner kleinen Tussi waren nicht zu übersehen. Immer wieder zippelte sie mit ihren Fingerspitzen an der roten Tüte mit der weißen Schrift. Nur schwer konnte sie sich daran halten, die gekauften Schokoladentafeln in der Tüte zu lassen.

Ich freute mich darüber, dass Smilla immer häufiger so war, wie ich sie von früher kannte. Wenn wir damals gemeinsam auf der Insel gewesen waren, kehrten wir jedes Mal in den Schoki-Laden ein. Meistens am vorletzten Tag, sodass wir uns für zu Hause mit Schokolade eindecken konnten. Wenn wir wieder in Hamburg weilten, hatten wir dann bei gemütlichen Fernsehabenden etwas Leckeres von unserer Lieblingsinsel auf dem Tisch stehen. Damals konnten wir es uns sparen, Überlegungen anzustellen, welche verschiedenen Schokoladenarten wir mitnehmen wollten. Jeder von uns durfte sich jedes Mal drei Tafeln aussuchen. Obwohl die Auswahl riesig war, griffen wir fast immer zu den gleichen. Smilla nahm sich, neben den Sorten Sylter Meersalz Zartbitter und Champagnertrüffel, meist noch eine Tafel Schafmilch Vollmilch Mandel dazu. Auch heute hätte Smilla es ganz bestimmt ebenfalls getan, wenn sie Schokolade für sich selbst hätte aussuchen müssen. Obwohl viel Zeit und ein folgenschwerer Unfall dazwischenlagen, war ich mir komischerweise sicher, dass sie nicht nach anderen Tafeln greifen würde.

Im Stillen amüsierte ich mich darüber, da ich es ausgesprochen niedlich fand, wie Smilla noch immer mit ihren Fingern an der Tüte zupfte. Allerdings empfand ich es als angebracht, sie nun endlich zu erlösen.

„Wollen wir?“, fragte ich und deutete auf die Tüten.

„Aber nur, wenn du möchtest.“ Ich konnte genau erkennen, dass Smilla es kaum noch abwarten konnte, und beschloss, sie ein wenig aufzuziehen.

„Dann lass uns warten.“ Ein erstaunter Blick wurde mir zugeworfen, den ich mit einem liebevollen Grinsen erwiderte. Selbstverständlich war es nur ein Witz von mir, und schon griff ich nach meiner Tüte und legte sie vor mir auf den Tisch. Fast wie im Wilden Westen wirkte diese Situation. Wie zwei Revolverhelden, die sich in wenigen Sekunden ein Duell liefern würden, saßen wir auf unseren Barhockern und hatten unsere Waffen der Neuzeit, unsere Schoki-Genusswaffen, abzugsbereit.

„Wollen wir die Schokoladen jetzt einfach nebeneinander auf den Tisch legen?“ Smilla war wirklich ungeduldig.

„Ich hatte gedacht, dass wir abwechselnd unsere Lieblingssorten sagen und der andere in seiner Tüte nachschaut, ob er diese gekauft hat.“ Ich fand meinen Vorschlag ausgesprochen cool und Smilla willigte sofort ein.

„Wer startet?“ Ich konnte die neugierige Erwartung meiner kleinen Tussi fast greifen. Nachdem wir uns darüber geeinigt hatten, dass Smilla es war, die zunächst eine ihrer Lieblingssorten sagen musste, sah ich sie auffordernd an.

„Mensch, Jonas, das ist gar nicht so einfach. Es gibt so viele leckere Schokoladen dort. Was ist, wenn ich jetzt eine falsche Sorte aufzähle und du diese gar nicht in deiner Tüte hast?“

„Dann hast du keine falsche Tafel aufgezählt, sondern ich habe eine falsche besorgt.“ Ich lächelte und sprach weiter.

„Außerdem ist es nur ein Spiel, und da wir uns erst seit ein paar Tagen kennen, sind falsch gekaufte Schokoladen, durchaus erlaubt.“

„Da hast du recht.“




Ich konnte die kleinen Rädchen und Laufbänder, die Smilla in ihrem Gehirn inzwischen angeworfen hatte, förmlich rattern hören. Ihre Lippen bewegten sich langsam auf und ab, und ich wartete darauf, dass der erste Name einer Schokoladensorte über diese wunderschönen Lippen glitt.

Mit ihren Zähnen knabberte sie an ihrer Unterlippe und ab und an schaute auch ihre Zungenspitze heraus. Eine niedliche Nervosität hatte sich in meiner kleinen Tussi breitgemacht, und ich genoss es, sie endlich wieder so zu erleben. Es war genau wie früher, wenn wir zu Weihnachten vor unseren Geschenken am Tannenbaum saßen und abwechselnd Päckchen für Päckchen auspackten.

Wie aus dem Nichts konnte ich plötzlich drei Wörter hören. Drei Wörter, die mir von einer Sekunde auf die andere ein Kribbeln durch den kompletten Körper jagten. Obwohl es warm war, konnte ich auf meinen Armen die Haare aufrecht stehen sehen. Smilla sah mich gespannt an. Nicht wegen meiner Gänsehaut, sondern weil sie sehnsüchtig darauf wartete, ob ihre Vermutung die richtige war. Noch immer hatte ich die drei von ihr gesagten Wörter als Dauerschleife in meinem Kopf, und noch immer war ich nicht in der Lage, zu antworten.

„Jonas … Jonas? JONAS!“ Erst nachdem Smilla zum dritten Mal meinen Namen gerufen hatte und sich bereits, aufgrund der Tonlage, andere Besucher der Lokalität umgedreht hatten, war ich wieder aufnahmefähig. Ich griff nach der Tüte und öffnete sie so, dass nur ich hineinsehen konnte. Dann zog ich die mittlere Tafel Schokolade heraus. Ich drehte sie mit der Vorderseite in Richtung Smilla und strahlte sie an.

„Nein?!“ Smilla warf mir einen ungläubigen Blick zu.

„Doch.“

„Das kann nicht sein.“ Noch immer wurde ich erstaunt angesehen.

„Doch, Smilla. Es ist wirklich so. Du hast Sylter Meersalz Zartbitter gesagt und ich habe sie für dich gekauft.“ Die erste Schokoladentafel lag zwischen uns auf dem Tisch und ich strahlte vor Glück mit der Sonne um die Wette.

„Jetzt du.“ Ich tat, als würde ich überlegen. Zugegebenermaßen tat ich es auch ein wenig. Allerdings nur darüber, welche meiner drei Schokoladensorten ich als Erstes nennen sollte. Es gab in diesem Moment genau zwei Möglichkeiten. Entweder hatte Smilla alle drei Sorten gewusst oder keine. So empfand zumindest ich es und aus diesem Grund war ich vorhin im Café auf die Idee mit den Schokoladen gekommen. Natürlich hätte sie einen Zufallstreffer landen können. Allerdings wäre dieser Zufall bei weit über 300 Schokoladensorten ein extremer Zufall gewesen.

„Mach schon.“

„Bananenchips in weißer Schokolade.“ Mehr sagte ich nicht. Mehr war nicht notwendig, und mehr benötigte ich nicht, um herauszufinden, ob die wunderschöne Frau, die mir gegenübersaß, sich an unsere Vergangenheit erinnern konnte. Zwar nicht an mich, dafür aber an Dinge, die uns betrafen. Sollte es so sein, wäre es ein Anfang. Ein Anfang, über den ich mich wahnsinnig freuen würde.



Den Blick, der mich traf, konnte ich nicht richtig deuten, und so war ich darauf angewiesen, was Smilla mir gleich sagen würde. Klar wollte ich es wissen! Selbstverständlich konnte ich es kaum erwarten, und am liebsten hätte ich in der letzten Minute schon dreimal nachgefragt. Doch ich nahm mich zusammen, da ich erkannte, dass Smilla dabei war, nach den richtigen Worten zu suchen.

„Wahnsinn!“ Langsam kam dieses Wort, fast in einzelnen Buchstaben gesprochen, über ihre Lippen. Nachdem sie die Tafel Bananenchips in weißer Schokolade neben die Tafel Sylter Meersalz Zartbitter gelegt hatte, stand es eins zu eins. Unsere Neugier war größer als unser Gesprächsbedarf über dieses fast ein wenig unheimlich wirkende Thema. Nachdem Smilla sich für die Sorte Champagner Trüffel entschieden hatte und ich diese ebenfalls aus meiner Tüte zog, lagen bereits drei Tafeln Schokolade auf dem Tisch. Meine Anspannung stieg etwas, da es sich in wenigen Sekunden zeigen würde, ob der erste Treffer ein Zufallstreffer gewesen war. Tatsächlich hatte ich Angst und trotzdem sagte ich leise und deutlich das Wort:

„Cappuccino.“ Erwartungsvoll hing mein Blick an der kleinen roten Tüte mit der weißen Schrift. Ich konnte es kaum abwarten, dass Smilla die nächste Tafel Schokolade aus dieser Tüte befreien würde. Dann tat sie es. Anhand ihrer Mimik konnte ich nicht erkennen, was mich gleich erwarten würde. Ohne mir eine mündliche Antwort zu geben, legte sie die vierte Tafel Schokolade zu den anderen. Als ich die Tafel sah, muss mein Blick ziemlich enttäuscht gewesen sein. Fragend wurde ich von Smilla angesehen.

„Was ist? Hättest du lieber hinten gelegen?“ Ich verstand ihre Frage nicht, und erst nachdem ich mir die Schokolade etwas genauer angesehen hatte, wich mein enttäuschter Gesichtsausdruck einem glücklichen. Ich hatte nicht erkannt, dass es sich tatsächlich um die Sorte Cappuccino gehandelt hatte. Die Sausäcke von der Schokoladenmanufaktur hatten das Verpackungsbild für diese Sorte geändert und mir so zunächst eine Enttäuschung aufs Gesicht gezaubert.




Es stand zwei zu zwei, und ich war mir sicher, dass es in wenigen Minuten noch immer ausgeglichen stehen würde.

Ich hatte recht. Tatsächlich lagen neben den dort bereits liegenden vier Sorten nun noch eine Tafel Schafmilch Vollmilch Mandel, die ich ausgesucht hatte, und eine Sorte Cashewnüsse mit Salzkaramell, die Smilla richtigerweise für mich gekauft hatte.

Nachdem wir uns einige Minuten einfach nur schweigend gegenübergesessen hatten, durchbrach ich diese Stille.

„Meinst du nicht auch, dass wir darauf trinken sollten?“

„O ja, Jonas. Das sollten wir durchaus!“ Als der Wiener bei uns am Tisch stand, flüsterte ich ihm etwas ins Ohr. Kurze Zeit später kehrte er zurück und stellte die Flasche Prosecco zwischen uns auf den Tisch, die ich bei ihm bestellt hatte. Nachdem er uns eingeschenkt hatte, ließ er uns wieder alleine. Smilla war es, die zuerst nach dem Glas griff.

„Auf die Schokoladenmanufaktur. Darauf, dass der Zufall das Spiel hat unentschieden ausgehen lassen, und auf uns.“

So, jetzt habt ihr bestimmt ein lustiges neues Spiel gelernt.
Probiert es gerne aus. Es macht echt Spaß!

Liebe Grüße
Ben

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