Für alle Naschkatzen
… also auch für mich!
Immer von ich von Sylt komme, habe ich einen großen Vorrat Schokolade dabei.Ich muss Freund versorgen und auch meine Mutter liebt das braune leckere "Zeugs" … Okay, manchmal ist auch weiß! :-)
Doch man kann mit der Schokolade sogar Spiele machen.
Wie das funktioniert?
Passt mal gut auf :-)
Ich musste aufstehen, um mein Mitbringsel aus der Hosentasche holen zu
können. Gut versteckt in meiner Hand, schob ich es über die Tischplatte und
stoppte erst vor den Händen meiner kleinen Tussi, die sie verschränkt vor sich
liegen hatte. Ich öffnete meine Hand und legte das Mitbringsel auf den Tisch.
„Ich hab dir noch etwas mitgebracht.“ Meine Augen suchten den
Blickkontakt. Nur kurz schaute Smilla auf den Tisch zwischen uns, dann strahlte
sie mich an.
„Das ist aber süß von dir!“ Während ich sie nicht aus den Augen ließ,
wanderte ihr Blick wieder zu dem Mitbringsel. Ich konnte genau beobachten, wie
ihre Mundwinkel anfingen zu zucken, bis sie schließlich in schallendes
Gelächter ausbrach.
Als die ersten Lachtränen aus ihren Augen liefen, senkte ich meinen
Blick ebenfalls auf die Praline, die ich vorhin in der Schokoladenmanufaktur
heimlich gekauft hatte. Eine Nougat-Praline war es, die neben den Worten Moin
Moin auch mit einem kleinen Herz verziert gewesen war. Die Praline befand sich
in einem durchsichtigen Tütchen, worüber ich mich im Nachhinein sehr freuen
konnte. Dem schönen Wetter und meiner Sitzposition geschuldet, war von der
kleinen Leckerei nicht mehr viel zu erkennen. Eigentlich nichts, außer der
Tatsache, dass es sich um irgendetwas Schokoladenartiges handeln musste. Vor
Smilla lag ein bräunlicher Klumpen, der von einem völlig zerknitterten und
verklebten Plastiktütchen umgeben war. Dank des Tütchens war immerhin nicht
meine Hose komplett von der Schokolade verschmiert. Während wir nun gemeinsam
lachten, klärte ich Smilla darüber auf, wie dieser Klumpen ausgesehen hatte,
bevor ich die Praline dusseligerweise in meiner Hosentasche platziert hatte.
Die Neugier und Nervosität meiner kleinen Tussi waren nicht zu
übersehen. Immer wieder zippelte sie mit ihren Fingerspitzen an der roten Tüte
mit der weißen Schrift. Nur schwer konnte sie sich daran halten, die gekauften
Schokoladentafeln in der Tüte zu lassen.
Ich freute mich darüber, dass Smilla immer häufiger so war, wie ich sie
von früher kannte. Wenn wir damals gemeinsam auf der Insel gewesen waren,
kehrten wir jedes Mal in den Schoki-Laden ein. Meistens am vorletzten Tag,
sodass wir uns für zu Hause mit Schokolade eindecken konnten. Wenn wir wieder
in Hamburg weilten, hatten wir dann bei gemütlichen Fernsehabenden etwas
Leckeres von unserer Lieblingsinsel auf dem Tisch stehen. Damals konnten wir es
uns sparen, Überlegungen anzustellen, welche verschiedenen Schokoladenarten wir
mitnehmen wollten. Jeder von uns durfte sich jedes Mal drei Tafeln aussuchen.
Obwohl die Auswahl riesig war, griffen wir fast immer zu den gleichen. Smilla
nahm sich, neben den Sorten Sylter Meersalz Zartbitter und Champagnertrüffel,
meist noch eine Tafel Schafmilch Vollmilch Mandel dazu. Auch heute hätte Smilla
es ganz bestimmt ebenfalls getan, wenn sie Schokolade für sich selbst hätte
aussuchen müssen. Obwohl viel Zeit und ein folgenschwerer Unfall
dazwischenlagen, war ich mir komischerweise sicher, dass sie nicht nach anderen
Tafeln greifen würde.
Im Stillen amüsierte ich mich darüber, da ich es ausgesprochen niedlich
fand, wie Smilla noch immer mit ihren Fingern an der Tüte zupfte. Allerdings
empfand ich es als angebracht, sie nun endlich zu erlösen.
„Wollen wir?“, fragte ich und deutete auf die Tüten.
„Aber nur, wenn du möchtest.“ Ich konnte genau erkennen, dass Smilla es
kaum noch abwarten konnte, und beschloss, sie ein wenig aufzuziehen.
„Dann lass uns warten.“ Ein erstaunter Blick wurde mir zugeworfen, den
ich mit einem liebevollen Grinsen erwiderte. Selbstverständlich war es nur ein
Witz von mir, und schon griff ich nach meiner Tüte und legte sie vor mir auf
den Tisch. Fast wie im Wilden Westen wirkte diese Situation. Wie zwei
Revolverhelden, die sich in wenigen Sekunden ein Duell liefern würden, saßen
wir auf unseren Barhockern und hatten unsere Waffen der Neuzeit, unsere
Schoki-Genusswaffen, abzugsbereit.
„Wollen wir die Schokoladen jetzt einfach nebeneinander auf den Tisch
legen?“ Smilla war wirklich ungeduldig.
„Ich hatte gedacht, dass wir abwechselnd unsere Lieblingssorten sagen
und der andere in seiner Tüte nachschaut, ob er diese gekauft hat.“ Ich fand
meinen Vorschlag ausgesprochen cool und Smilla willigte sofort ein.
„Wer startet?“ Ich konnte die neugierige Erwartung meiner kleinen Tussi
fast greifen. Nachdem wir uns darüber geeinigt hatten, dass Smilla es war, die
zunächst eine ihrer Lieblingssorten sagen musste, sah ich sie auffordernd an.
„Mensch, Jonas, das ist gar nicht so einfach. Es gibt so viele leckere
Schokoladen dort. Was ist, wenn ich jetzt eine falsche Sorte aufzähle und du
diese gar nicht in deiner Tüte hast?“
„Dann hast du keine falsche Tafel aufgezählt, sondern ich habe eine
falsche besorgt.“ Ich lächelte und sprach weiter.
„Außerdem ist es nur ein Spiel, und da wir uns erst seit ein paar Tagen
kennen, sind falsch gekaufte Schokoladen, durchaus erlaubt.“
„Da hast du recht.“
Ich konnte die kleinen Rädchen und Laufbänder, die Smilla in ihrem
Gehirn inzwischen angeworfen hatte, förmlich rattern hören. Ihre Lippen
bewegten sich langsam auf und ab, und ich wartete darauf, dass der erste Name
einer Schokoladensorte über diese wunderschönen Lippen glitt.
Mit ihren Zähnen knabberte sie an ihrer Unterlippe und ab und an schaute
auch ihre Zungenspitze heraus. Eine niedliche Nervosität hatte sich in meiner
kleinen Tussi breitgemacht, und ich genoss es, sie endlich wieder so zu
erleben. Es war genau wie früher, wenn wir zu Weihnachten vor unseren Geschenken
am Tannenbaum saßen und abwechselnd Päckchen für Päckchen auspackten.
Wie aus dem Nichts konnte ich plötzlich drei Wörter hören. Drei Wörter,
die mir von einer Sekunde auf die andere ein Kribbeln durch den kompletten
Körper jagten. Obwohl es warm war, konnte ich auf meinen Armen die Haare
aufrecht stehen sehen. Smilla sah mich gespannt an. Nicht wegen meiner
Gänsehaut, sondern weil sie sehnsüchtig darauf wartete, ob ihre Vermutung die
richtige war. Noch immer hatte ich die drei von ihr gesagten Wörter als
Dauerschleife in meinem Kopf, und noch immer war ich nicht in der Lage, zu
antworten.
„Jonas … Jonas? JONAS!“ Erst nachdem Smilla zum dritten Mal meinen Namen
gerufen hatte und sich bereits, aufgrund der Tonlage, andere Besucher der
Lokalität umgedreht hatten, war ich wieder aufnahmefähig. Ich griff nach der
Tüte und öffnete sie so, dass nur ich hineinsehen konnte. Dann zog ich die
mittlere Tafel Schokolade heraus. Ich drehte sie mit der Vorderseite in
Richtung Smilla und strahlte sie an.
„Nein?!“ Smilla warf mir einen ungläubigen Blick zu.
„Doch.“
„Das kann nicht sein.“ Noch immer wurde ich erstaunt angesehen.
„Doch, Smilla. Es ist wirklich so. Du hast Sylter Meersalz Zartbitter
gesagt und ich habe sie für dich gekauft.“ Die erste Schokoladentafel lag
zwischen uns auf dem Tisch und ich strahlte vor Glück mit der Sonne um die
Wette.
„Jetzt du.“ Ich tat, als würde ich überlegen. Zugegebenermaßen tat ich
es auch ein wenig. Allerdings nur darüber, welche meiner drei Schokoladensorten
ich als Erstes nennen sollte. Es gab in diesem Moment genau zwei Möglichkeiten.
Entweder hatte Smilla alle drei Sorten gewusst oder keine. So empfand zumindest
ich es und aus diesem Grund war ich vorhin im Café auf die Idee mit den
Schokoladen gekommen. Natürlich hätte sie einen Zufallstreffer landen können.
Allerdings wäre dieser Zufall bei weit über 300 Schokoladensorten ein extremer
Zufall gewesen.
„Mach schon.“
„Bananenchips in weißer Schokolade.“ Mehr sagte ich nicht. Mehr war
nicht notwendig, und mehr benötigte ich nicht, um herauszufinden, ob die
wunderschöne Frau, die mir gegenübersaß, sich an unsere Vergangenheit erinnern
konnte. Zwar nicht an mich, dafür aber an Dinge, die uns betrafen. Sollte es so
sein, wäre es ein Anfang. Ein Anfang, über den ich mich wahnsinnig freuen
würde.
Den Blick, der mich traf, konnte ich nicht richtig deuten, und so war
ich darauf angewiesen, was Smilla mir gleich sagen würde. Klar wollte ich es
wissen! Selbstverständlich konnte ich es kaum erwarten, und am liebsten hätte
ich in der letzten Minute schon dreimal nachgefragt. Doch ich nahm mich
zusammen, da ich erkannte, dass Smilla dabei war, nach den richtigen Worten zu
suchen.
„Wahnsinn!“ Langsam kam dieses Wort, fast in einzelnen Buchstaben
gesprochen, über ihre Lippen. Nachdem sie die Tafel Bananenchips in weißer
Schokolade neben die Tafel Sylter Meersalz Zartbitter gelegt hatte, stand es
eins zu eins. Unsere Neugier war größer als unser Gesprächsbedarf über dieses
fast ein wenig unheimlich wirkende Thema. Nachdem Smilla sich für die Sorte
Champagner Trüffel entschieden hatte und ich diese ebenfalls aus meiner Tüte
zog, lagen bereits drei Tafeln Schokolade auf dem Tisch. Meine Anspannung stieg
etwas, da es sich in wenigen Sekunden zeigen würde, ob der erste Treffer ein
Zufallstreffer gewesen war. Tatsächlich hatte ich Angst und trotzdem sagte ich
leise und deutlich das Wort:
„Cappuccino.“ Erwartungsvoll hing mein Blick an der kleinen roten Tüte
mit der weißen Schrift. Ich konnte es kaum abwarten, dass Smilla die nächste
Tafel Schokolade aus dieser Tüte befreien würde. Dann tat sie es. Anhand ihrer
Mimik konnte ich nicht erkennen, was mich gleich erwarten würde. Ohne mir eine
mündliche Antwort zu geben, legte sie die vierte Tafel Schokolade zu den
anderen. Als ich die Tafel sah, muss mein Blick ziemlich enttäuscht gewesen
sein. Fragend wurde ich von Smilla angesehen.
„Was ist? Hättest du lieber hinten gelegen?“ Ich verstand ihre Frage
nicht, und erst nachdem ich mir die Schokolade etwas genauer angesehen hatte,
wich mein enttäuschter Gesichtsausdruck einem glücklichen. Ich hatte nicht
erkannt, dass es sich tatsächlich um die Sorte Cappuccino gehandelt hatte. Die
Sausäcke von der Schokoladenmanufaktur hatten das Verpackungsbild für diese
Sorte geändert und mir so zunächst eine Enttäuschung aufs Gesicht gezaubert.
Es stand zwei zu zwei, und ich war mir sicher, dass es in wenigen
Minuten noch immer ausgeglichen stehen würde.
Ich hatte recht. Tatsächlich lagen neben den dort bereits liegenden vier
Sorten nun noch eine Tafel Schafmilch Vollmilch Mandel, die ich ausgesucht
hatte, und eine Sorte Cashewnüsse mit Salzkaramell, die Smilla richtigerweise
für mich gekauft hatte.
Nachdem wir uns einige Minuten einfach nur schweigend gegenübergesessen
hatten, durchbrach ich diese Stille.
„Meinst du nicht auch, dass wir darauf trinken sollten?“
„O ja, Jonas. Das sollten wir durchaus!“ Als der Wiener bei uns am Tisch
stand, flüsterte ich ihm etwas ins Ohr. Kurze Zeit später kehrte er zurück und
stellte die Flasche Prosecco zwischen uns auf den Tisch, die ich bei ihm
bestellt hatte. Nachdem er uns eingeschenkt hatte, ließ er uns wieder alleine.
Smilla war es, die zuerst nach dem Glas griff.
„Auf die Schokoladenmanufaktur. Darauf, dass der Zufall das Spiel hat
unentschieden ausgehen lassen, und auf uns.“
So, jetzt habt ihr bestimmt ein lustiges neues Spiel gelernt.
Probiert es gerne aus. Es macht echt Spaß!
Liebe Grüße
Ben
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