Montag, 30. März 2020

Kennt ihr die Sylter Liebesbuche?

Ich schon!

Jake hat sie übrigens auch kennengelernt.

Wenn ihr neugierig seid, wo ihr diesen Baum finden könnt ...
Dann passt mal gut auf ;-)


„Jake, kommst du jetzt endlich!“ Mein Herrchen rief nach mir. Um genauer zu sein, rief er bereits etwas genervt, da ich alle vorherigen Rufe ignoriert hatte. Nein, es lag nicht daran, dass ich mich im Rüpelalter befand und die Hierarchie zwischen Ben und mir neu abstecken wollte. Mein nicht gehorsames Verhalten war einzig und allein dem Umstand geschuldet, dass ich heute Abend nicht traurig und wütend auf dem Sofa liegen wollte. Sollte die süße Hündin wirklich hier im Wald gewesen sein, so musste ich jetzt ihre Spur aufnehmen. Dann hatte ich die Pflicht, sie zu finden. Ich hatte sie ihr gegenüber, da sie wirklich sehr zuvorkommend mit mir umgegangen war. Vor allem aber hatte ich die Pflicht auch mir gegenüber. Ich wusste ganz genau, dass ich es mir nicht hätte verzeihen können, nicht alles gegeben zu haben. Den Wald zu verlassen und nicht an allen Stellen gesucht haben, wäre keine gute Entscheidung gewesen. Nein, es wäre sogar extrem dämlich von mir gewesen.

„Ich komme doch gleich. Fünf Minuten, okay?“ Missmutig grummelte ich eine Antwort vor mich hin und glaubte selbst nicht daran, dass sie bis zu Ben gedrungen war. Immerhin hatte er, ganz im Gegensatz zu mir, keine Lauschlappen, die auch die kleinsten Geräusche aufnehmen konnten.

Allerdings machte ich mir darüber schnell keinen Kopf mehr, da sich dieser bereits wieder in einer geduckten Haltung befand. Noch dichter am Waldboden war lediglich noch meine schwarze Nase, die wild schnüffelnd hoch und runter vibrierte.

Vorhin hatte ich sie doch auch gerochen. Es war ihr Duft, ich habe mich doch nicht getäuscht. Wut stieg in mir auf. Ich war wütend darüber, dass ich die Suche vorhin abgebrochen hatte. War der raue Nordseewind dafür verantwortlich, dass ich die Fährte nicht wieder aufnehmen konnte? Lag es an der salzigen Sylter Luft, dass der Duft meiner kleinen Lady verschwunden war? Oder war tatsächlich dieser ätzende Sommerregen, der meiner Meinung nach lediglich ein beschissener Dauerregen war, daran schuld, dass alle Spuren vernichtet waren?

Oder gab es vielleicht etwa gar keine Fährten? Hatte ich mich vorhin lediglich getäuscht? Waren es meine geheimen Wünsche, die ein böses Spiel mit mir gespielt hatten?

„Jake, pass mal auf, du Nasenbär. Wenn du nicht sofort bei mir antanzt, gehst du heute barfuß zu Bett.“ Obwohl Bens Ton schroff war, ließ er sich eine große Prise Humor nicht nehmen.

„Barfuß muss ich doch immer ins Bett.“ Ich grinste, dann sprach ich weiter. „Aber ich komme ja schon.“ Nachdem ich tief ausgeatmet hatte und ein großer Enttäuschungsseufzer meine Lippen verlassen hatte, lief ich los. Ich wollte zu Ben und ihm zeigen, dass ich durchaus in der Lage war, seinen Befehlen zu folgen.

„Endlich. Komm mal her, du Räuberhauptmann. Ich finde ja, dass du gerne wieder besser hören könntest. Heute ist es echt bescheiden.“ Obwohl ich auf eine charmante Art einen kleinen Einlauf bekam, wurde ich zwischen meinen Schlappohren gekrault.


„Noch besser hören? Ich habe doch alles gehört, nur nicht sofort gehorcht.“ Ich grinste, dann sprach ich weiter und sah mein Herrchen dabei verliebt an. „Es ist versprochen. Das kommt nicht wieder vor. Es lag nur daran, dass ich meine kleine Hündin gesucht habe. Ich dachte, dass ich ihren Duft wahrgenommen hatte. Leider habe ich mich aber getäuscht.“ Während ich sprach, rieb ich meinen kleinen nassen Hundekopf an Bens Beinen und fühlte mich wohl. Auch wenn ich noch immer traurig war, fühlte sich die Welt so gleich wieder besser an.

Immerhin kann ich mir heute Abend nichts vorwerfen. Auch wenn es mir im Bezug auf die süße Lady nicht wirklich weiterhalf, war ich froh darüber, alles ausprobiert zu haben.

Alles? Nein, nicht alles! Ich Vollhonk. Bereits während meiner Gedanken hatte ich mich in Bewegung gesetzt. Mein Ziel war ein Baum. Nein, nicht einfach nur ein Baum, sondern die Liebesbuche, die sich hier im Südwäldchen befand.

Dieser alte, fast ehrwürdige Baum war ein Muss für alle Hunde, die ihren Urlaub auf Sylt verbrachten. Natürlich aber auch ein Begegnungspunkt für alle Fellnasen, die hier auf der Insel lebten. Milo hatte mir von dieser Buche erzählt, und ich wunderte mich darüber, dass ich den Baum erst jetzt auf dem Zettel hatte.

„Jake, bleib. Stopp, du Nase. Ach Manno, was ist denn heute nur los?“ Auch wenn Bens letzte Worte fast etwas resigniert klangen, konnte ich nicht stoppen. Ich wusste, dass ich heute Abend etwas gutzumachen hatte. Musste jetzt allerdings mein Ding durchziehen. Ich würde ja schließlich nicht weglaufen, sondern lediglich den Ort hier im Südwäldchen wechseln. Außerdem würde mich mein Herrchen an diesem Platz finden. Schon häufig hatten wir uns an dieser Stelle wiedergetroffen, wenn ich vorher eine kleine Tour durch den Wald gemacht hatte. Dass ich auf diesen Touren manchmal Kaninchen gejagt hatte, war allerdings mein Geheimnis geblieben.

„Bin gleich zurück.“ Mir war klar, dass Ben meine Antwort nicht hören konnte. Trotzdem blieb ich nicht stehen und vertraute darauf, dass mein Herrchen wusste, dass irgendetwas Besonderes in der Luft lag. Er kannte mich, kannte mein sonstiges Verhalten und wusste somit ganz genau, dass ich niemals aus dem Südwäldchen abhauen würde.

Da bist du ja. Bitte lieber Baum, hilf mir. Immerhin bist du doch der Liebesbaum. Nein, die Liebesbuche, die schon so viele Hundeherzen zusammengeführt hat. Fast andächtig stand ich vor dem mächtigen Stamm. Gleich würde ich alle Neuigkeiten erfahren. Dieser Baum war besser als jede Zeitung. Er war interessanter als sämtliche Nachrichtensendungen und unterhaltsamer als das Radio.


„Bitte, lass mich ihre Spur finden. Lieber Baum, hilf mir dabei, die süße Hündin zu finden. Ich möchte sie so gerne nochmals treffen. In ihre Augen sehen dürfen und mit meiner kleinen Hundeschnauze in ihrem Wuschelfell wühlen.“ Noch immer war ich regungslos. Nein, noch immer stand ich stocksteif im Wald und sah diesen mächtigen Baum an. Diesen Liebesbaum, in den ich alle meine Hoffnungen setzte. Wenn er mir nicht helfen konnte, war Hilfe nicht möglich.

„Bitte, lieber Baum.“ Nach diesen drei Worten setzte ich mich in Bewegung. Mit gesenktem Kopf und einer eifrig schnüffelnden Nase überbrückte ich den letzten Abstand zum Stamm.

Nachdem ich ihn zur Hälfte umrundet hatte, hielt ich an. Ich musste mich vorhin getäuscht haben.

Obwohl ich hier unendlich viele unterschiedliche Hundegerüche wahrnehmen konnte, war ihrer nicht dabei. Nein, meine süße Hündin vom Strand hatte die Liebesbuche nicht besucht.

Enttäuscht hob ich meine Nase und schloss die Augen.

Was soll das? Wer verarscht mich hier? Das kann doch nicht daran liegen, dass meine Augen geschlossen sind. Meine Nase bewegte sich hektisch, als der liebliche Duft meiner Lady in sie hinein strömte.

Schnell öffnete ich meine Augen wieder. Ich musste herausfinden, ob ich ihre Spur auch so wahrnehmen konnte.

Oder hatten mir meine Gedanken und Wünsche erneut einen Streich gespielt?

Nun ja ... Ob Jake die Gedanken und Wünsche einen Streich gespielt haben, könnt ihr hier erfahren: