Ich mag diese Worte!
Und in meinem Garten hängt eine Fahne, auf der diese Worte stehen.
Häufig habe ich Gedanken daran im Kopf und wenn ich am Strand, oder auf der Westerländer Promenade spazieren gehe, denke ich über ihre Bedeutung nach. Natürlich kann jeder den Schriftzug der Fahne interpretieren. Immerhin sind wir doch auch unterschiedlich "Kreaturen".Apropos unterschiedliche Kreaturen, Jake hat euch was mitgebracht.
Als wir heute
Morgen an der Promenade liefen, fiel mein Blick auf die leeren Fahnenmaste.
Trist war es ohne die bunten Banner, die uns sonst am Wegesrand begleiteten und
jetzt im tiefen Winter nicht gehisst wurden.
„Heute liegt aber wirklich Schnee in der Luft.“ Ben
hatte diese Worte zuletzt häufiger gesagt, doch bisher war noch nie etwas
passiert.
Ich hatte
allerdings auch keinen Schimmer, was hätte passieren sollen. Ich kannte weder
den Ausdruck, noch hatte ich eine Idee, was er bedeuten mochte. Wahrscheinlich
hatte er etwas mit dieser Jahreszeit zu tun. Mit der Kälte, die sich täglich
über uns legte, wenn wir uns an der frischen Luft aufhielten.
Trotzdem sah
ich häufig in den Himmel und suchte nach dem Zeugs, das angeblich „in der
Luft hing“. Gesehen hatte ich es bisher allerdings nicht.
Noch hatte
ich mich nicht an den Winter gewöhnt. Nicht an die jetzige Jahreszeit, die mein
Herrchen manchmal als „Winterzauber“ bezeichnete.
Zauber? Wo
bitteschön soll hier ein Zauber sein? Zauberer gibt es nur im Märchen. Im
echten Leben werden keine Wünsche erfüllt, und Wunder gibt es ebenfalls nicht.
Missmutig
stapfte ich hinter Ben her und war in meinen Gedanken versunken.
Während mein
Herrchen von der Winterzauberwelt sprach, hatte ich zuletzt manchmal komische,
fast negative Gedanken. Ich ärgerte mich zwar meistens darüber, konnte mich
allerdings nicht gegen sie wehren. Doch zum Glück waren es immer nur kurze
Momente. Augenblicke, die Ben erkannte, und mich fragte, ob …
„Na, Kleiner, bist du mal wieder im Winterblues
verschwunden?“ Ben hatte meine Gedanken unterbrochen und lachte.
Darüber, dass
er genau die Worte aussprach, an die ich gedachte hatte, wunderte ich mich
nicht mehr. Häufig war es so, da uns etwas ganz Besonderes verband.
Dann kehrte
ich nochmals zurück in meine Gedankenwelt von eben. Schon jetzt war alles
Negative aus meinem Kopf verschwunden. Zum Glück. Immerhin war mir selbst klar,
dass gerade ich an Wunder glauben musste. Ohne ein solches Wunder wäre ich
niemals bei dem tollsten Menschen der Welt gelandet, und so wollte ich mich
bemühen, meinen Lebenszauber komplett zurückzugewinnen.
Dann ging
mein Blick wieder zu einem der leeren Fahnenmaste. Dort oben hing noch vor gar
nicht langer Zeit meine Lieblingsfahne. In gelb, rot und blau leuchtete sie,
und mir gefiel die Farbzusammenstellung, obwohl es bei der Fahne eigentlich
weniger um die Farben ging.
Klaar Kiming. Leise sprach
ich diese Worte und sah meinen Menschen dabei an.
Bereits an
meinen ersten Tagen auf der Insel hatte Ben mir diese Worte mitgegeben. Falsch,
er hatte sie mir vorgelesen, da sie auf vielen Fahnen verewigt waren.
Allerdings standen die beiden Worte nicht alleine darauf. Mit ihnen zusammen
waren dort noch weitere zu finden.
Zu finden und
zu lesen. Daher lernte ich sehr schnell, was hier im hohen Norden, hier auf
dieser wunderschönen Insel, hier in meiner neuen Heimat Sylt, angesagt war.
Nach welchem
„Gesetz“ hier gelebt wurde.
Okay, es war
wahrscheinlich nicht im herkömmlichen Sinne ein Gesetz. Allerdings etwas, womit
schon damals die friesischen Kapitäne ihre Gefühle ausdrückten.
Rüm Hart,
Klaar Kiming. So steht es komplett auf den Fahnen. Selbstverständlich konnte
ich zunächst nichts damit anfangen. Woher sollte ich diese Ausdrücke auch
kennen? Zypern war mein Geburtsland, und dort kannte niemand diese Worte,
geschweige denn deren Bedeutung.
Selbst,
nachdem mir mein Herrchen die Worte übersetzt hatte, fiel es mir schwer, etwas
mit ihrer Bedeutung anzufangen.
„Weites Herz und klarer Horizont“, so beschrieb Ben sie
mir, und ich weiß noch ganz genau, dass ich ihn lediglich fragend angesehen
hatte.
Heute war es
anders. Ich hatte inzwischen nicht nur verstanden, was mir mein Lieblingsmensch
mitteilen wollte. Nein, ich hatte mir diese Worte im wahrsten Sinne zu Herzen
genommen und mir meinen eigenen Leitsatz für das Leben daraus gebastelt.
Mein Herz
hatte sich hier auf Sylt geöffnet. Dank Ben, unserem Vertrauen und unserer
Liebe, war aus meinem verschlossenen, kleinen Herzen ein geöffnetes geworden.
Ein weites Herz!
Dank der Freundschaft
zu Ben war es mir möglich geworden, endlich den Sinn des Lebens zu erkennen.
Ich hatte nicht nur ein Herrchen, sondern auch die Freude am Leben gefunden.
Endlich war es mir möglich, positive Dinge zu genießen, und es gab Momente, in
denen ich mich auf die Zukunft freute. Ja, ich hatte einen klaren Horizont im
Blick und war glücklich darüber.
Je mehr
Freude ich am Leben verspürte, und je glücklicher ich wurde, umso mehr stieg
allerdings auch ein anderer Wunsch in mir auf. Ich wollte mein Glück teilen.
Verspürte den Drang, andere an meiner Freude teilhaben zu lassen. Wollte geben,
da ich selbst so viel bekam.
Auch hier war
Ben mein Vorbild gewesen. Häufig dachte ich an den Tag zurück, an dem wir in
das Sylter Tierheim gefahren waren, um dort eine große Futterspende abzugeben.
Es war der
Tag, an dem ich nicht nur Milo wiedergesehen und besser kennengelernt hatte,
der inzwischen zu meinem besten vierbeinigen Freund wurde. Nein, dieser Tag war
es auch, an dem ich beschlossen hatte, meine Freude zu teilen. Zum Glück hatte
ich es so gemacht, da ich durch mein Tun lernen durfte, dass Freude sich
verdoppelt, wenn man sie teilt.
Doch ich
konnte es nur machen, weil Ben mir half. Er unterstützte mich, und so holten
wir mehrmals in der Woche Milo im Tierheim ab und starteten gemeinsame
Unternehmungen. Zusammen mit Ben und meinem besten Hundefreund lernte ich die
Insel immer besser kennen und wusste schon häufig, bevor wir am Zielort
angekommen waren, wohin uns die Autofahrt führen würde.
Auch heute
war ein solcher Tag. Schon um 9:30 Uhr hatten wir Milo, den großen, kräftigen,
schwarzen Labrador, aus dem Tierheim abgeholt. Wir wollten zusammen nach List
fahren und dort an einem meiner Lieblingsstrände spazieren gehen. Falsch. Ben
wollte einen Spaziergang machen. Milo und ich wollten ausgiebig toben.
Als wir auf
dem Parkplatz am Lister Hafen ankamen, hüpften wir sofort aus dem Wagen. Ohne
an die Leine zu müssen, durften Milo und ich zum Strandabschnitt gehen. Ben
hatte den Wagen fast direkt dort geparkt und daher auf die Leinen verzichtet.
Er wusste genau, dass er sich in diesen Momenten auf uns verlassen konnte.
Außerdem
hatten wir bereits Winter, und die Insel war endlich nicht mehr so voll, wie
sie es noch vor einigen Wochen gewesen war.
Wir hatten
zwar noch nicht den kalendarischen Winter, der würde erst in ungefähr drei
Wochen kommen, hatte Ben mir zumindest erzählt, allerdings fand ich es jetzt
schon häufig kalt und war der Meinung, dass dieser offizielle Winteranfang
gerne wegbleiben konnte.
Ein kleines
Stückchen waren wir bereits den holprigen Weg gegangen, als wir Bens Ruf
hörten. Ungefähr auf der Höhe des Hauses, in dem die Naturgewalten nachgestellt
wurden, gab mein Herrchen uns frei. Wir durften uns von ihm entfernen, wussten
allerdings, dass wir bei einem Ruf oder seinem Pfiff sofort bei ihm antreten
mussten.
Allerdings
gab es keinen Grund dafür, und so konnten wir ausgiebig und ungestört unserem
Spieltrieb frönen.
Ben saß auf
einem großen Stein und sah uns zu. In der Hand hielt er sein schwarzes
Notizbuch, und manchmal konnte ich erkennen, wie er etwas hinein schrieb. Was
es war, wusste ich selbstverständlich nicht. Allerdings ging ich davon aus,
dass es bestimmt für eines seiner Bücher gedacht war und legte sofort den
nächsten Sprint ein.
Los, Milo,
fang mich. Du kriegst mich nicht. Laut rief ich die Worte und war schnell einige Meter
von meinem Freund entfernt.
Ich hab dich
gleich. Auch Milo
war losgelaufen und näherte sich mir mit großen Schritten. Doch immer, wenn er
ziemlich nah an mir dran war, schlug ich einen Haken, und verschaffte mir so
erneut einen Vorsprung. Vielleicht war mein schwarzer Freund etwas schneller,
ich dafür um einiges wendiger und nutze es natürlich aus.
Eine ganze
Weile später hatte mich Milo noch immer nicht erwischt. Als ich ihm, nachdem
ich einen meiner flinken Haken geschlagen hatte, ins Gesicht sehen konnte, sah
ich seine Erschöpfung. Deutlich war sie in seinen Augen zu erkennen, und auch
sein Laufstil war nicht mehr so wie noch vor einigen Minuten.
Nach meinem
nächsten Bogen lief ich daher in Bens Richtung und ließ mich in den Sand
fallen. Wenige Sekunden später tat Milo es mir gleich. Allerdings erinnerte
mich sein Fallenlassen eher an ein Plumpsen. Amüsiert darüber sah ich zu Ben,
der mir prompt ein Augenzwinkern schenkte. Ja, wir verstanden uns fast immer
ohne Worte. Was gut war, da Milo unsere Gedanken nicht mitbekommen sollte. Viel
zu lange war er fast durchgehend in dem blöden Zwinger im Tierheim gewesen.
Natürlich mit wenig Bewegung und kaum Spaziergängen.
„Möchtet ihr ein Leckerli?“
Sag mal, mein
Lieblingsherrchen, hast du noch mehr solch blöder Fragen auf Lager?
Kopfschüttelnd sah ich zu Ben. Ganz ehrlich - seine Frage war echt überflüssig.
„Wenn Jake nicht möchte, heißt es ja nicht, dass du
nicht willst. Wie ist es mit dir, Milo?“ Mit diesem dusseligen
Ich-mach-auf-blöd-Lächeln strich Ben über Milos bulligen Kopf.
Nerv nicht.
Rück die Sticks raus und alles ist gut. Mit schrägem Kopf und schiefem
Blick sah ich Ben an. Auch, wenn ich mich bemühte, gelang es mir nicht, ernst
zu bleiben.
„Dann will ich mal nicht so sein. Der ist für dich,
Milo, und dieser fantastische, leckerhafte und wohlriechende Stick, der ist für
… ja, der ist für den kleinen … also, dieser Stick ist für …“
Immer die
gleiche Arie ist langweilig. Gib her das Teil. Angenervt sah ich zu meinem
Herrchen.
„Der kleine Jake bekommt diesen leckerhaften Stick.“
Endlich hatte Ben sein albernes Programm abgespult und mir das Leckerli
zwischen die Zähne gesteckt.
Wer Spaß an dieser Geschichte gefunden hat, darf gern auch mehr davon lesen.
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