Donnerstag, 27. Februar 2020

Die Überfahrt nach Sylt

Ihr kennt das Gefühl?

Immer dann, wenn man aufgeregt darauf wartet, dass die Verladung in Niebüll beginnt und die Augen auf die Ampel starren.

Dann ist es so weit.
Das olle Ding wird endlich GRÜN!

Aber erinnert ihr euch noch an eure erste Überfahrt?
Oder an die erste Fahrt mit eurem Hund? Nein? Ich mich schon. Und Jake erinnert sich natürlich auch.
Deshalb möchte er jetzt von dieser Fahrt erzählen.


Ist Sylt eigentlich eine Hundeinsel? Dort muss es ja mindestens so viele Hunde wie Menschen geben. Erstaunt wechselte ich meinen Blick vom Fenster zu Ben.

„Da staunst du wohl, kleiner Mann. Es sind viele Hunde on Tour. Nicht nur du bist auf dem Weg nach Sylt.“ Während ich wieder aus dem Fenster sah, gingen mir Bens Worte durch den Kopf. Nein, ich hatte mich nicht darüber gewundert, dass er ebenfalls die anderen Hunde entdeckt hatte. Um einiges mehr war ich dafür erstaunt, dass er scheinbar mal wieder meine Gedanken hatte lesen können. Dann lächelte ich in mich hinein und dachte: Warum nur hatte er es nicht getan, als ich dringend mein Geschäft erledigen wollte?


Doch jetzt war es egal. Mit einem neugierigen Blick sah ich aus dem Fenster und erkannte weit vor uns viele Lichter. Sie sahen fast so wie die Ampeln in Eckernförde aus. Allerdings gab es hier meiner Meinung nach keinen Grund für Ampeln.

Wann geht es los? Müssen wir hier noch lange stehen und warten? Selbstverständlich konnte ich nicht mit einer Antwort meines Herrchens rechnen. Nichtsdestotrotz hatte ich Ben während meiner Gedanken angesehen.

„Gleich fahren wir mit dem Autozug und dann sind wir auch schon da. Lange wird es nicht mehr dauern. Noch dürfen wir nicht. Schau mal da vorne. Die Ampeln sind rot.“

Du bist der Wahnsinn. Freudig schleckte ich meinem Herrchen über das Gesicht. Ben hatte sich, während wir in der Schlange warten mussten, neben mich gesetzt und war dabei mir sanft den Nacken zu kraulen. Ich genoss es total. Nicht nur das Kraulen selbst, sondern auch diese Nähe zwischen uns, die bereits jetzt nach unserer kurzen gemeinsamen Zeit sehr besonders für mich war.

„Schau mal. Die Ampeln sind auf Grün gesprungen. Ich muss wieder nach vorne und mich an das Lenkrad setzen.“

An das Lenkrad? Ich denke, wir fahren Zug?

Das Leben der Menschen war schon verflixt kompliziert. Zumindest ich empfand es so, was natürlich daran lag, dass ich von der realen Welt der Menschen noch nicht wirklich viel mitbekommen hatte. Doch genau das würde sich jetzt ändern. Mit Spannung und Vorfreude wartete ich darauf, was gleich geschehen würde. Mit einem Kuss auf meine kalte Lakritznase hatte sich Ben vor seinem Ausstieg aus dem Wagen von mir verabschiedet.

„Kuckuck. Da bin ich wieder.“ Ben lachte, als er wieder in das Auto gestiegen war und mich jetzt von seinem Platz hinter dem Lenkrad ansah. Dann startete er den Motor. Ein weiteres Mal durfte ich dieses Geräusch hören, das ich so sehr mit meiner Befreiung verband.

„Juhu, wir dürfen nach oben.“ Was genau Ben mir mit diesem Satz sagen wollte, ich hatte echt keinen Schimmer. Allerdings freute ich mich darüber, dass er sich gefreut hatte.

Plötzlich wurde es laut. Scheppernd war wahrscheinlich der bessere Ausdruck für die Geräusche, die in meine Ohren drangen. Auf beiden Seiten unseres Fahrzeuges befand sich ein Geländer aus Stahl und ich wunderte mich schon ziemlich darüber, weshalb diese Straße so eingezäunt war.

„So. Hier bleiben wir stehen. Der Zug bringt uns jetzt auf die Insel.“

Welcher Zug? Irgendwie fühlte ich mich etwas überfordert. Ob mein Herrchen erneut meine Gedanken gelesen hatte, oder ob es lediglich Zufall war, interessierte mich nicht. Dafür hörte ich allerdings aufmerksam bei seiner Erzählung zu.

„Wir sind mit unserem Wagen auf einem Autozug. Mit diesem Zug werden wir über den Hindenburgdamm gebracht und sind in ungefähr vierzig Minuten auf Sylt.“ Ben hatte mir genau die Frage beantwortet, die ich mir gerade gestellt hatte.

Aha. Na dann mal los. Neugierig drückte ich meine Nase gegen das Fenster. Begriffen hatte ich es zwar noch immer nicht, aber ich wollte mich gerne überraschen lassen.

Dann setzte sich der Zug endlich in Bewegung. Wir fuhren, obwohl Ben sich mit den Knien auf seinem Vordersitz gehockt und sich zu mir umgedreht hatte. Erneut begann er damit, mich zu kraulen. Vorsichtig und zärtlich tat er es. Sofort kroch dieses wärmende Gefühl in mir auf. Diese Magie, die dafür sorgte, dass ich mich wohlig fühlte.

Hey, schau mal. Da ist überall Wasser. Staunend blickte ich aus dem Fenster.

Kann der Zug über das Wasser fahren?

„Cool oder? Hier ist nur noch ein Damm. Hindenburgdamm heißt er und auf diesem Damm befinden sich Schienen, die extra für die Züge gebaut wurden.“

Aha. Was es alles so gibt. Erst jetzt hatte ich geschnallt, dass Ben und ich uns unterhielten. Zumindest schien es so zu sein, obwohl es doch eigentlich gar nicht möglich war.



Plötzlich veränderte sich Bens Blick.

Ernst sah er mich an. Viel zu ernst für meinen Geschmack. Es war ein Gesichtsausdruck, den ich von ihm bisher noch nicht kannte. Dann sprach er zu mir. Besser gesagt, dann stellte er mir eine Frage.

„Sag mal, kleiner Mann. Wie wollen wir dich überhaupt nennen?“

Wie du mich nennen sollst? Ich habe doch einen Namen. Allerdings kannst du mich nennen, wie du möchtest. Die Hauptsache ist, dass du lieb zu mir bist.

„Oder magst du den Namen Archie? Würdest du sagen, dass er zu dir passt? Ich finde ja, dass man den Namen nur schwierig rufen kann. Er hört sich beim Rufen nicht so schön an.“

Da hast du recht. Immer wenn meine Pflegefamilie mich laut Archie gerufen hat, klang es irgendwie wie Arschi. Alle anderen Hunde haben mich dabei immer blöd angesehen.

Lange sahen wir uns an. Ich konnte erkennen, wie Bens Gehirn am Arbeiten war. Plötzlich lockerte sich sein Gesichtsausdruck. Es schien so, als wäre ihm gerade eine Idee gekommen. Dann nahm er meinen Kopf zwischen seine Hände und lächelte.

„Jake. Was hältst du davon, wenn wir dich Jake nennen? Ich finde, der Name passt perfekt zu dir. Er ist frech und cool zugleich.“ Erwartungsvoll wurde ich angesehen.

Jake ist klasse. Au ja, bitte nenne mich genau so. Zum Dank schleckte ich Ben quer durch sein Gesicht.

„Du gibst mir ein Küsschen? Dann bist du wohl mit dem Namen einverstanden? Das freut mich.“

Ja … Ja … Ja …! Jake mag ich heißen.

Einen Augenblick lang herrschte Stille im Auto. Dann öffnete mein Herrchen sein Fenster und streckte den Kopf hinaus.

„Sylt wir kommen. Jake und Ben sind gleich zu Hause!“ Laut rief er diese Worte in Richtung Sylt.

Übrigens, diese Erzählung ist seinem ersten Buch.
"Jake, Sylter Inselhund - Sylt, ich komme!"

https://www.amazon.de/gp/product/B06XWKFT2S/ref=dbs_a_def_rwt_bibl_vppi_i21

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