Donnerstag, 20. Februar 2020

Abfahrt von der Insel

Immer ein doofes Gefühl!

Zumindest bei mir.

Wie ist es bei euch? Beginnt eure Sehnsucht nach Sylt schon, wenn ihr auf dem Autozug seid und die "falsche" Richtung fahrt?

Jake geht es wie mir … Und wer es nicht glaubt, dem möchte mein Vierbeiner jetzt überzeugen!


Ich liebte die Fahrt mit dem Autozug. Immer wenn wir mit dem Wagen hinauffuhren, schlug mein Herz etwas schneller, und mein Puls stieg rasant an. Diese Vorfreude auf meine Insel war immer riesig, und ich war mir absolut sicher, dass es sich auch niemals ändern würde.

Wenn die Ampel unserer Spur auf Grün sprang und Ben den Wagen startete, begann mein Körper zu kribbeln. Ein wohliges und warmes Gefühl stieg in mir auf, und unter meinem kurzen Fell begann sich, eine Art Gänsehaut auszubreiten. Hibbelig und mit meinem herzallerliebsten Dackelblick sah ich dann immer aus dem Fenster und strahlte den Mann, der zu entscheiden hatte, ob wir auf dem Autozug nach oben durften, an. Was soll ich sagen? Es klappte fast immer.

Fast immer? Lasst mich kurz überlegen …

Nein, es funktionierte immer, und so hatte ich bisher jede unserer Fahrten von oben aus erleben dürfen. Hier war der Ausblick einfach schöner. Wir konnten das Meer viel besser sehen und auch die hohen Westerländer Häuser früher erkennen.

Ich könnte auch einfach sagen:

„Wir hatten unser Zuhause schneller vor der Nase.“



Ja, ich wollte immer nur oben auf dem Zug sein.

So wünschte ich es mir zumindest bis heute Morgen. Bis zum heutigen Tag, als sich alles schlagartig veränderte. Es war mir jetzt katzenpupsegal, dass wir auf der heutigen Fahrt unten standen. Auf einer Fahrt, die sich mein Herrchen gut und gerne hätte schenken können. Erstens, da wir von der Insel fuhren, und zweitens, weil wir nicht schon heute Abend wieder zurückkamen.




Bereits die letzten Tage hatte mein Herrchen immer mal wieder was von irgendwelchen Urlaubstagen gefaselt. Doch sollte ich das ernst nehmen? Natürlich nicht. Hey, wir lebten auf Sylt. Auf dem schönsten Fleckchen Erde der Welt. Da ist es doch wohl selbstverständlich, dass Bens Worte über irgendwelche Urlaubstage lediglich zwei Gründe haben konnten. Vielleicht wollte er einfach mal eine Schreibpause einlegen und mit mir die kompletten Tage am Strand genießen. Immerhin hatten wir Hochsommer, und das Wetter lud bereits am frühen Morgen zum Baden in der Nordsee ein. Ich hätte diesen Grund Weltklasse gefunden.

Na gut, auch die andere Möglichkeit wäre okay gewesen. Sie hätte zu Ben gepasst, da er mich schon häufiger mal aufs Kreuz gelegt hatte. Diese Urlaubstage, von denen er immer wieder faselte, hätten durchaus ein Witz sein können. Wie gesagt, wir lebten auf dieser einzigartigen Insel, und Urlaub war daher eigentlich mehr als flüssig.

Überflüssig sozusagen!

Ja, er hätte mich einfach verarschen können. Mich ärgern und gespannt darauf sein, wie ich auf die Verarsche reagierte.



Wisst ihr was?!

Ich hätte mich mehr darüber gefreut, von meinem Herrchen mal wieder gründlich veräppelt zu werden. Doch Ben hatte gestern tatsächlich unsere Sachen gepackt. Heute Morgen wurden sie dann ins Auto verfrachtet und jetzt …

Ja, jetzt lag ich auf der Rückbank unseres Wagens, war mies drauf und musste mich obendrein auch noch vom Autozug durchrütteln lassen. Wie gesagt, dass wir unten standen, war mir echt Wurst. Was mir hingegen gar nicht Wurst war, war die Erkenntnis, dass wir unseren Urlaub nicht auf Sylt genießen wollten.

Falsch! Ben wollte ihn nicht auf unserer Insel genießen. Ich hingegen schon!

Echt mal, wer will schon in Richtung Festland fahren? Ich nicht! Schon gar nicht, wenn man weiß, dass die Rückfahrt erst in einigen Tagen sein würde. Und ganz ehrlich, was sollte ich eigentlich in …

Hm? Wohin fahren wir eigentlich? Ich grübelte darüber nach, doch ich hatte keine Idee. Die Frage war: Hatte ich nicht zugehört? Oder wurde es mir nicht verraten?

„Scheiß drauf! Es ist mir auch total egal. Ich habe sowieso keinen Bock.“

„Was hast du gesagt?“ Ben drehte sich zu mir um und sah mich an, und erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich nicht gedacht, sondern gesprochen hatte.




Einen Moment herrschte Stille. Ich war mir nicht sicher, was ich antworten sollte. Konnte ich meine Sätze wiederholen? Oder würde ich meinem Herrchen damit doll weh tun? Auch wenn ich null Bock auf Urlaub im wo auch immer hatte, konnte ich meinen Lieblingsmenschen doch nicht mit meinen gemeinen Worten verletzen. Okay, sie waren zwar gemein. Allerdings auch wahr.

Welch blöde Zwickmühle! Immerhin hatten Ben und ich den Deal, dass wir uns immer die Wahrheit sagten. Doch galt diese Abmachung auch jetzt? Durfte ich in einer solchen Notsituation so mit ihm reden? Ich fühlte mich schlecht dabei und suchte daher noch immer nach einer Lösung.

„Schau mal, Jake, sieht der Himmel nicht bombastisch aus? Hey, welch geiles Urlaubswetter. Sieh doch mal hin und lieg nicht nur müde und faul auf der Rückbank.“ Da wir uns auf dem Zug befanden, konnte sich mein Herrchen zu mir umdrehen. Seine Augen waren auf mich gerichtet, und ich konnte nicht deuten, ob er sich Sorgen machte oder genervt von meinem Verhalten war.

„Ist ja gut. Ich schau es mir doch schon an.“ Viel langsamer aufzustehen, wäre nicht möglich gewesen. Natürlich behinderte mich dieser blöde Anschnallgurt etwas, allerdings brauchte ich sonst auch nicht so lange. Als ich es irgendwann geschafft hatte und mir durch die Fensterscheibe hindurch den farbenprächtigen Morgenhimmel ansehen wollte, kam mir eine Idee.

Wenn ich einfach einen auf Krank mache? Vielleicht drehen wir dann um und bleiben auf der Insel? Natürlich konnten wir nicht auf den Schienen umdrehen. Schließlich befanden wir uns auf dem Autozug. Aber in Niebüll war es möglich. Ja, dort mussten wir dieses Gefährt sowieso verlassen und hatten die Chance umzudrehen. Von dort aus konnten wir direkt mit dem nächsten Sylt Shuttle auf die Insel zurückkehren. 


„Nein, so gemein bin ich nicht. Wir ziehen das Ding jetzt gemeinsam durch.“ Erneut war mir nicht klar, dass ich gesprochen hatte.

„Sag mal, Jake, was nuschelst du dir eigentlich die ganze Zeit in den Bart?“

„Ich? Äh … Also … Welchen Bart meinst du?“ Klar wusste ich, was Ben mit dem Bart gemeint hatte. Ich war ja kein Blödi und fragte nur nach, um auf Zeit zu spielen.

„Pass mal auf, kleiner Mann, zum Verkackeiern kannst du dir einen anderen suchen. Du weißt genau, was ich meine. Außerdem weiß ich genau, warum du eine solch miesepetrige Laune hast.“ Als Ben fertig gesprochen hatte, drehte er sich nach vorne, stellte die Musik lauter und sah in Richtung Festland.

Man könnte sagen, dass er mich ignorierte. Doch nicht nur das. Er hatte mir auch eine Denksportaufgabe verplättet. Wusste er wirklich, warum ich so blöd drauf war? Oder hatte er es nur einfach so rausgehauen?

Hm, du bist schon ganz schön clever, dachte ich und überlegte, wie ich aus der Gedankennummer wieder herauskam. Besser gesagt, wie ich herausfinden konnte, was mein Herrchen wirklich wusste.

Tja … mehr zur Abfahrt von Sylt findet ihr hier:


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