Zumindest bei mir.
Wie ist es bei euch? Beginnt eure Sehnsucht nach Sylt schon, wenn ihr auf dem Autozug seid und die "falsche" Richtung fahrt?
Jake geht es wie mir … Und wer es nicht glaubt, dem möchte mein Vierbeiner jetzt überzeugen!
Ich liebte die Fahrt mit dem Autozug. Immer wenn
wir mit dem Wagen hinauffuhren, schlug mein Herz etwas schneller, und mein Puls
stieg rasant an. Diese Vorfreude auf meine Insel war immer riesig, und ich war
mir absolut sicher, dass es sich auch niemals ändern würde.
Wenn die Ampel unserer Spur auf Grün sprang und
Ben den Wagen startete, begann mein Körper zu kribbeln. Ein wohliges und warmes
Gefühl stieg in mir auf, und unter meinem kurzen Fell begann sich, eine Art
Gänsehaut auszubreiten. Hibbelig und mit meinem herzallerliebsten Dackelblick
sah ich dann immer aus dem Fenster und strahlte den Mann, der zu entscheiden
hatte, ob wir auf dem Autozug nach oben durften, an. Was soll ich sagen? Es
klappte fast immer.
Fast immer? Lasst mich kurz überlegen …
Nein, es funktionierte immer, und so hatte ich
bisher jede unserer Fahrten von oben aus erleben dürfen. Hier war der Ausblick
einfach schöner. Wir konnten das Meer viel besser sehen und auch die hohen
Westerländer Häuser früher erkennen.
Ich könnte auch einfach sagen:
„Wir hatten unser Zuhause schneller vor der
Nase.“
Ja, ich wollte immer nur oben auf dem Zug sein.
So wünschte ich es mir zumindest bis heute
Morgen. Bis zum heutigen Tag, als sich alles schlagartig veränderte. Es war mir
jetzt katzenpupsegal, dass wir auf der heutigen Fahrt unten standen. Auf einer
Fahrt, die sich mein Herrchen gut und gerne hätte schenken können. Erstens, da
wir von der Insel fuhren, und zweitens, weil wir nicht schon heute Abend wieder
zurückkamen.
Bereits die letzten Tage hatte mein Herrchen
immer mal wieder was von irgendwelchen Urlaubstagen gefaselt. Doch sollte ich
das ernst nehmen? Natürlich nicht. Hey, wir lebten auf Sylt. Auf dem schönsten
Fleckchen Erde der Welt. Da ist es doch wohl selbstverständlich, dass Bens
Worte über irgendwelche Urlaubstage lediglich zwei Gründe haben konnten.
Vielleicht wollte er einfach mal eine Schreibpause einlegen und mit mir die
kompletten Tage am Strand genießen. Immerhin hatten wir Hochsommer, und das
Wetter lud bereits am frühen Morgen zum Baden in der Nordsee ein. Ich hätte
diesen Grund Weltklasse gefunden.
Na gut, auch die andere Möglichkeit wäre okay
gewesen. Sie hätte zu Ben gepasst, da er mich schon häufiger mal aufs Kreuz
gelegt hatte. Diese Urlaubstage, von denen er immer wieder faselte, hätten
durchaus ein Witz sein können. Wie gesagt, wir lebten auf dieser einzigartigen
Insel, und Urlaub war daher eigentlich mehr als flüssig.
Überflüssig sozusagen!
Ja, er hätte mich einfach verarschen können.
Mich ärgern und gespannt darauf sein, wie ich auf die Verarsche reagierte.
Wisst ihr was?!
Ich hätte mich mehr darüber gefreut, von meinem
Herrchen mal wieder gründlich veräppelt zu werden. Doch Ben hatte gestern
tatsächlich unsere Sachen gepackt. Heute Morgen wurden sie dann ins Auto verfrachtet
und jetzt …
Ja, jetzt lag ich auf der Rückbank unseres
Wagens, war mies drauf und musste mich obendrein auch noch vom Autozug
durchrütteln lassen. Wie gesagt, dass wir unten standen, war mir echt Wurst.
Was mir hingegen gar nicht Wurst war, war die Erkenntnis, dass wir unseren
Urlaub nicht auf Sylt genießen wollten.
Falsch! Ben wollte ihn nicht auf unserer Insel
genießen. Ich hingegen schon!
Echt mal, wer will schon in Richtung Festland
fahren? Ich nicht! Schon gar nicht, wenn man weiß, dass die Rückfahrt erst in
einigen Tagen sein würde. Und ganz ehrlich, was sollte ich eigentlich in …
Hm? Wohin fahren wir eigentlich? Ich
grübelte darüber nach, doch ich hatte keine Idee. Die Frage war: Hatte ich
nicht zugehört? Oder wurde es mir nicht verraten?
„Scheiß drauf! Es ist mir auch total egal. Ich
habe sowieso keinen Bock.“
„Was hast du gesagt?“ Ben drehte sich zu mir um
und sah mich an, und erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich nicht gedacht,
sondern gesprochen hatte.
Einen Moment herrschte Stille. Ich war mir nicht
sicher, was ich antworten sollte. Konnte ich meine Sätze wiederholen? Oder
würde ich meinem Herrchen damit doll weh tun? Auch wenn ich null Bock auf
Urlaub im wo auch immer hatte, konnte ich meinen Lieblingsmenschen doch nicht
mit meinen gemeinen Worten verletzen. Okay, sie waren zwar gemein. Allerdings
auch wahr.
Welch blöde Zwickmühle! Immerhin hatten Ben und
ich den Deal, dass wir uns immer die Wahrheit sagten. Doch galt diese Abmachung
auch jetzt? Durfte ich in einer solchen Notsituation so mit ihm reden? Ich
fühlte mich schlecht dabei und suchte daher noch immer nach einer Lösung.
„Schau mal, Jake, sieht der Himmel nicht
bombastisch aus? Hey, welch geiles Urlaubswetter. Sieh doch mal hin und lieg
nicht nur müde und faul auf der Rückbank.“ Da wir uns auf dem Zug befanden,
konnte sich mein Herrchen zu mir umdrehen. Seine Augen waren auf mich
gerichtet, und ich konnte nicht deuten, ob er sich Sorgen machte oder genervt
von meinem Verhalten war.
„Ist ja gut. Ich schau es mir doch schon an.“ Viel
langsamer aufzustehen, wäre nicht möglich gewesen. Natürlich behinderte mich
dieser blöde Anschnallgurt etwas, allerdings brauchte ich sonst auch nicht so
lange. Als ich es irgendwann geschafft hatte und mir durch die Fensterscheibe
hindurch den farbenprächtigen Morgenhimmel ansehen wollte, kam mir eine Idee.
Wenn ich einfach einen auf Krank mache? Vielleicht drehen wir dann um
und bleiben auf der Insel? Natürlich konnten wir nicht
auf den Schienen umdrehen. Schließlich befanden wir uns auf dem Autozug. Aber
in Niebüll war es möglich. Ja, dort mussten wir dieses Gefährt sowieso
verlassen und hatten die Chance umzudrehen. Von dort aus konnten wir direkt mit
dem nächsten Sylt Shuttle auf die Insel zurückkehren.
„Nein, so gemein bin ich nicht. Wir ziehen das
Ding jetzt gemeinsam durch.“ Erneut war mir nicht klar, dass ich gesprochen
hatte.
„Sag mal, Jake, was nuschelst du dir eigentlich
die ganze Zeit in den Bart?“
„Ich? Äh … Also … Welchen Bart meinst du?“ Klar
wusste ich, was Ben mit dem Bart gemeint hatte. Ich war ja kein Blödi und
fragte nur nach, um auf Zeit zu spielen.
„Pass mal auf, kleiner Mann, zum Verkackeiern
kannst du dir einen anderen suchen. Du weißt genau, was ich meine. Außerdem
weiß ich genau, warum du eine solch miesepetrige Laune hast.“ Als Ben fertig
gesprochen hatte, drehte er sich nach vorne, stellte die Musik lauter und sah
in Richtung Festland.
Man könnte sagen, dass er mich ignorierte. Doch
nicht nur das. Er hatte mir auch eine Denksportaufgabe verplättet. Wusste er
wirklich, warum ich so blöd drauf war? Oder hatte er es nur einfach so
rausgehauen?
Hm, du bist schon ganz schön clever, dachte
ich und überlegte, wie ich aus der Gedankennummer wieder herauskam. Besser
gesagt, wie ich herausfinden konnte, was mein Herrchen wirklich wusste.
Tja … mehr zur Abfahrt von Sylt findet ihr hier:
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