Montag, 13. Januar 2020

Das Eisboot!

Es hat bestimmt schon jeder gesehen
Zumindest jeder Sylt-Urlauber!

Okay, bestimmt jeder Urlauber, der auch die Insel erkundet und ein Auge für die kleinen besonderen Dinge hat.

Wisst ihr auch, wofür das Eisboot steht?

Na gut, ich frage nicht weiter und erzähle euch stattdessen eine kleine Eisboot-Sylt-Geschichte.


Um 9:00 Uhr machte der Fahrradverleih auf und genau zu dieser Zeit betrat ich den Laden. Nachdem ich mir ein Mountainbike ausgesucht hatte, schwang ich mich auf den Sattel und machte mich auf den Weg nach Morsum. Natürlich hatte ich den gesamten Weg Gegenwind und musste darüber lächeln, da ich mir sehr sicher war, auf dem Rückweg ebenfalls gegen den Wind fahren zu müssen. Warum auch immer es auf Sylt so war. Egal wann und egal wo ich mit dem Fahrrad unterwegs war, durfte ich gegen eine Brise anstrampeln. Trotz Wind fuhr ich einen kleinen Umweg, da ich es vorzog, durch grüne Landschaften anstatt auf der Straße zu fahren.



Ich befand mich bereits auf den letzten Metern und wusste, dass ich mein Ziel gleich erreicht hatte. Schon von Weitem konnte ich das Boot erkennen, das sich am Straßenrand direkt neben dem Ortseingangsschild befand. Ein altes Holzschiff, auf dem es auch eine Besatzung in Form menschenähnlicher Puppen gab, präsentierte sich mir. Mit jeder Umdrehung meiner Pedale kreisten auch die Gedanken in meinem Kopf schneller. Ich überlegte, wo ich am besten die Botschaft für Smilla platzieren sollte. Als ich anhielt und vor dem Eisboot stand, strich ich mit meiner Hand sanft über die Reling. Während ich dies tat, fixierten meine Augen die Männer, die sich auf dem Boot befanden. Im Fischerhemd standen die Figuren dort, und es wirkte tatsächlich so, als würden sie gleich in See stechen. So wie sie es früher getan hatten, wenn sie im Winter die Insel mit Lebensmitteln und Post versorgt hatten.

Genau aus diesem Grund hatte ich das Eisboot und seine Besatzung für meinen Inselführer ausgewählt. Dieses Mal brachten sie allerdings ausschließlich Post. Genauer gesagt einen einzigen Brief. Ich hatte auch heute wieder einen Umschlag für Smilla vorbereitet.

Nach kurzer Überlegung hatte ich den Platz gefunden, der aus meiner Sicht am geeignetsten für meine Nachricht an Smilla war. Zwischen die Hand eines der Besatzungsmitglieder und das große schwere Ruder, das er in seiner Hand hielt, steckte ich den Briefumschlag.



Als ich fertig war, machte ich mich auf den Weg zurück. Heute wollte ich nicht dabei zusehen, wenn Smilla hier stand und den Umschlag an sich nahm. Vorausgesetzt, sie würde ihn überhaupt an sich nehmen. Nein, heimlich beobachten wollte ich meine kleine Tussi nicht. Außerdem hatte sie mir gestern deutlich mitgeteilt, dass sie heute einen Tag für sich haben wollte.

Mit meinem Fahrrad machte ich mich auf den Weg zum Morsumer Kliff. Auch wenn ich die Wattseite der Insel nicht so liebte wie das raue Meer, mochte ich die Gegend um das Kliff herum sehr gerne. Ich liebte es, durch die schmalen Pfade zu gehen oder oben an den steilen Klippen zu stehen und meinen Blick über die Gräser schweifen zu lassen. Obwohl wir Hochsommer hatten und die Insel voller Touristen war, konnte ich das Kliff fast alleine genießen. Von hier oben konnte ich unten am Strand erkennen, dass irgendein Spaziergänger dort ein riesiges Herz aus Steinen in den Sand gebaut hatte. Da ich es von hier ganz deutlich sah, mussten die Steine etwas größer und der Durchmesser des Herzens ganz sicher mindestens zwei Meter sein.

Hatte dies jemand für seine große Liebe getan? Für eine aktuelle Liebe, der er anschließend sein Kunstwerk zeigen konnte? Oder war es vielleicht als Zeichen für eine vergangene Liebe gedacht? Es machte Spaß, über diese Fragen nachzudenken, und egal wie es gemeint war, die Idee war einfach schön.

Immer wieder kreisten meine Gedanken um Smilla und darum, ob sie bereits am Eisboot gewesen war. Hatte sie nach dem Umschlag gegriffen? Ihn vielleicht sogar geöffnet? Und wenn ja, hatte sie den Inhalt behalten oder den Umschlag wieder geschlossen und an seinen Platz zurückgelegt? Natürlich konnte ich mir diese Frage nicht beantworten und fand es fast lustig, dass ich sie mir trotzdem stellte. Wahrscheinlich war es menschlich, dass ich mich so verhielt. Ebenso menschlich, wie dass ich mich zwei Stunden später auf den Weg machte, um nachzusehen. Weit vor der Einfahrt nach Morsum stellte ich mein Fahrrad am Wegesrand ab und schlich mich vorsichtig in die Nähe des Eisbootes. Ich kam mir vor wie in meiner Kindheit, wenn ich mit meinen Freunden Cowboy und Indianer gespielt hatte. Als ich nahe genug dran war, konnte ich erkennen, dass der Umschlag noch immer zwischen der Hand und dem Ruder eingeklemmt war. Smilla schien entweder nicht hier gewesen zu sein oder sie hatte meine Nachricht für sie nicht entdeckt.

Oder hat Smilla den Umschlag wieder zurückgelegt? So wie sie es auch gestern beim Grab von Briefträger Egon gemacht hat?, überlegte ich.




Als ich am frühen Abend das Fahrrad bei der Fahrradvermietung, die sich unten bei mir im Haus befand, zurückgebracht hatte, taten mir nicht nur die Beine, sondern auch mein Allerwertester ziemlich weh. Ich war es einfach nicht mehr gewohnt, mit dem Fahrrad durch die Gegend zu fahren. Außerdem hatte sich meine Vermutung von heute Morgen bestätigt. Selbstverständlich hatte ich, egal, in welche Richtung ich auch gefahren war, ständig Gegenwind gehabt.
Obwohl ich viel zu kaputt war und eigentlich am liebsten auf meinem Sofa liegen geblieben wäre, ging ich gegen 20:00 Uhr hinunter zum Strand. Wenn ich schon das Meer vor der Nase hatte, wollte ich es mir nicht nur vom Balkon aus ansehen. Außerdem fand ich, dass ich mir auf der Promenade bei Gosch ein Bier verdient hatte.

Und?
Werdet ihr das Eisboot jetzt auch mal besuchen gehen? Wer weiß, vielleicht liegt dort sogar eine kleine Bo(o)tschaft für euch?! ;-)

Euer
Ben

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