Zumindest jeder Sylt-Urlauber!
Okay, bestimmt jeder Urlauber, der auch die Insel erkundet und ein Auge für die kleinen besonderen Dinge hat.
Wisst ihr auch, wofür das Eisboot steht?
Na gut, ich frage nicht weiter und erzähle euch stattdessen eine kleine Eisboot-Sylt-Geschichte.
Um 9:00 Uhr machte der
Fahrradverleih auf und genau zu dieser Zeit betrat ich den Laden. Nachdem ich
mir ein Mountainbike ausgesucht hatte, schwang ich mich auf den Sattel und
machte mich auf den Weg nach Morsum. Natürlich hatte ich den gesamten Weg
Gegenwind und musste darüber lächeln, da ich mir sehr sicher war, auf dem
Rückweg ebenfalls gegen den Wind fahren zu müssen. Warum auch immer es auf Sylt
so war. Egal wann und egal wo ich mit dem Fahrrad unterwegs war, durfte ich
gegen eine Brise anstrampeln. Trotz Wind fuhr ich einen kleinen Umweg, da ich
es vorzog, durch grüne Landschaften anstatt auf der Straße zu fahren.
Ich befand mich bereits auf den
letzten Metern und wusste, dass ich mein Ziel gleich erreicht hatte. Schon von Weitem
konnte ich das Boot erkennen, das sich am Straßenrand direkt neben dem
Ortseingangsschild befand. Ein altes Holzschiff, auf dem es auch eine Besatzung
in Form menschenähnlicher Puppen gab, präsentierte sich mir. Mit jeder
Umdrehung meiner Pedale kreisten auch die Gedanken in meinem Kopf schneller.
Ich überlegte, wo ich am besten die Botschaft für Smilla platzieren sollte. Als
ich anhielt und vor dem Eisboot stand, strich ich mit meiner Hand sanft über
die Reling. Während ich dies tat, fixierten meine Augen die Männer, die sich
auf dem Boot befanden. Im Fischerhemd standen die Figuren dort, und es wirkte
tatsächlich so, als würden sie gleich in See stechen. So wie sie es früher
getan hatten, wenn sie im Winter die Insel mit Lebensmitteln und Post versorgt
hatten.
Genau aus diesem Grund hatte ich das
Eisboot und seine Besatzung für meinen Inselführer ausgewählt. Dieses Mal
brachten sie allerdings ausschließlich Post. Genauer gesagt einen einzigen
Brief. Ich hatte auch heute wieder einen Umschlag für Smilla vorbereitet.
Nach kurzer Überlegung hatte ich den
Platz gefunden, der aus meiner Sicht am geeignetsten für meine Nachricht an
Smilla war. Zwischen die Hand eines der Besatzungsmitglieder und das große
schwere Ruder, das er in seiner Hand hielt, steckte ich den Briefumschlag.
Als ich fertig war, machte ich mich
auf den Weg zurück. Heute wollte ich nicht dabei zusehen, wenn Smilla hier
stand und den Umschlag an sich nahm. Vorausgesetzt, sie würde ihn überhaupt an
sich nehmen. Nein, heimlich beobachten wollte ich meine kleine Tussi nicht.
Außerdem hatte sie mir gestern deutlich mitgeteilt, dass sie heute einen Tag
für sich haben wollte.
Mit meinem Fahrrad machte ich mich
auf den Weg zum Morsumer Kliff. Auch wenn ich die Wattseite der Insel nicht so
liebte wie das raue Meer, mochte ich die Gegend um das Kliff herum sehr gerne.
Ich liebte es, durch die schmalen Pfade zu gehen oder oben an den steilen
Klippen zu stehen und meinen Blick über die Gräser schweifen zu lassen. Obwohl
wir Hochsommer hatten und die Insel voller Touristen war, konnte ich das Kliff
fast alleine genießen. Von hier oben konnte ich unten am Strand erkennen, dass
irgendein Spaziergänger dort ein riesiges Herz aus Steinen in den Sand gebaut
hatte. Da ich es von hier ganz deutlich sah, mussten die Steine etwas größer
und der Durchmesser des Herzens ganz sicher mindestens zwei Meter sein.
Hatte dies jemand für seine große
Liebe getan? Für eine aktuelle Liebe, der er anschließend sein Kunstwerk zeigen
konnte? Oder war es vielleicht als Zeichen für eine vergangene Liebe gedacht?
Es machte Spaß, über diese Fragen nachzudenken, und egal wie es gemeint war,
die Idee war einfach schön.
Immer wieder kreisten meine Gedanken
um Smilla und darum, ob sie bereits am Eisboot gewesen war. Hatte sie nach dem
Umschlag gegriffen? Ihn vielleicht sogar geöffnet? Und wenn ja, hatte sie den
Inhalt behalten oder den Umschlag wieder geschlossen und an seinen Platz
zurückgelegt? Natürlich konnte ich mir diese Frage nicht beantworten und fand
es fast lustig, dass ich sie mir trotzdem stellte. Wahrscheinlich war es
menschlich, dass ich mich so verhielt. Ebenso menschlich, wie dass ich mich
zwei Stunden später auf den Weg machte, um nachzusehen. Weit vor der Einfahrt
nach Morsum stellte ich mein Fahrrad am Wegesrand ab und schlich mich
vorsichtig in die Nähe des Eisbootes. Ich kam mir vor wie in meiner Kindheit,
wenn ich mit meinen Freunden Cowboy und Indianer gespielt hatte. Als ich nahe
genug dran war, konnte ich erkennen, dass der Umschlag noch immer zwischen der
Hand und dem Ruder eingeklemmt war. Smilla schien entweder nicht hier gewesen
zu sein oder sie hatte meine Nachricht für sie nicht entdeckt.
Oder hat Smilla den Umschlag wieder
zurückgelegt? So wie sie es auch gestern beim Grab von Briefträger Egon gemacht
hat?, überlegte
ich.
Als ich am frühen Abend das Fahrrad
bei der Fahrradvermietung, die sich unten bei mir im Haus befand,
zurückgebracht hatte, taten mir nicht nur die Beine, sondern auch mein
Allerwertester ziemlich weh. Ich war es einfach nicht mehr gewohnt, mit dem
Fahrrad durch die Gegend zu fahren. Außerdem hatte sich meine Vermutung von
heute Morgen bestätigt. Selbstverständlich hatte ich, egal, in welche Richtung
ich auch gefahren war, ständig Gegenwind gehabt.
Obwohl ich viel zu kaputt war und eigentlich am
liebsten auf meinem Sofa liegen geblieben wäre, ging ich gegen 20:00 Uhr
hinunter zum Strand. Wenn ich schon das Meer vor der Nase hatte, wollte ich es
mir nicht nur vom Balkon aus ansehen. Außerdem fand ich, dass ich mir auf der
Promenade bei Gosch ein Bier verdient hatte.Und?
Werdet ihr das Eisboot jetzt auch mal besuchen gehen? Wer weiß, vielleicht liegt dort sogar eine kleine Bo(o)tschaft für euch?! ;-)
Euer
Ben
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